Verein für Heimatkunde Gunzenhausen e.V. | Gegründet 1879

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Des Glaubens wegen die Heimat verlassen

Kirchenrat Georg Rusam, einmals Pfarrer in Thalmässing, war einer der namhaftesten Exulantenforscher. Sein Enkel setzt das Werk fort. Auf einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung des Vereins für Heimatkunde und der Evangelischen Kirchengemeinde Gunzenhausen äußerten sich Vorsitzender Werner Falk und Pfarrer Claus Bergmann beglückt, dass das Thema eine so starke Resonanz fand. Aus ganz Altmühlfranken waren Zuhörer gekommen. Zuvor hatte Dr. Rusam bereits bei zwei Vorträgen in Weißenburg einen ähnlich starken Zulauf.

Die Exulantenbewegung teilt sich auf in zwei Wellen: die Protestanten aus dem Ländlein ob der Enns, also aus dem Mühl- und Waldviertel in Oberösterreich, mussten nach 1637 das Land verlassen, die Menschen aus dem Salzburger Land wurden rund hundert Jahre später vertrieben.

Im 16. Jahrhundert, also unmittelbar nach der Reformation, waren neun Zehntel der Menschen in Oberösterreich evangelisch, die Habsburger Herrschaft aber streng katholisch. So währte der Konflikt an die hundert Jahre. Aus dem Jahr 1600 stammt die kaiserliche Drohung an die Bauern, entweder katholisch zu werden oder binnen drei Monaten ihre Höfe zu verkaufen und auszuwandern. Vielfach wurden die Häuser der Geflüchteten niedergebrannt. Im Zuge der Gegenreformation drehte Kaiser Ferdinand II. (er ist übrigens bei den Jesuiten in Ingolstadt erzogen worden) die Daumenschrauben an und sah sein Lebenwerk darin, die Protestanten zu verdrängen. Es gelang ihm, den Aufstand der böhmischen Adeligen niederzuringen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte er die alleinige Entscheidungshohheit in Sachen Glaubenszugehörigkeit.

Wie  Dr. Reinhard Rusam schilderte, sah sein Großvater seine Lebensaufgabe darin, die Herkunft seiner Familie zu ergründen. Er konnte sich damals natürlich nicht einfach ins Auto setzen und die Archive abklappern. Es war vergleichsweise mühsam, an die Daten heranzukommen. So reiste er zwischen 1923 und 1943 sechs Mal mit dem Fahrrad in das Ländlein ob der Enns und suchte in Pfarrhäusern und bei den Bauersfamilien nach Quellen.

Händler und Handwerker konnten in den durch den Dreißigjährigen Krieg verwüsteten altmühlfränkischen Gebieten (allein die Wülzburg wurde 13mal belagert) vergleichsweise leicht Fuß fassen, aber für die Bauern, die nach 1635 das Land verließen, war es ein großes Opfer. Die Wirtschaftskraft Frankens ist durch die Handwerker unter den Exulanten maßgeblich gefördert worden. „Es ist es auch nicht verwunderlich“, so Dr. Rusam, „dass die Folgen von Krieg und Epidemien in den evangelischen Gegenden Frankens besser und früher überwunden wurden als  in ähnlich strukturierten katholischen Landstrichen“.

Viele Namen von Exulanten haben einen handwerklichen Ursprung (z.B. Müller) oder sind auf die Landschaft (z.B.–berger) zurückzuführen. Wer heute im Mühl- und Waldviertel unterwegs ist, der stößt auf den Friedhöfen immer wieder auf diese Namen, die ebenso in Franken weit verbreitet sind.

Fazit der Forschung von Dr. Reinhard Rusam: „Wir sind stolz auf die Glaubenstreue unserer Vorfahren, aber wir halten auch Freundschaft zu denen, die bei ihrem katholischen Glauben geblieben sind“.  

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